Führung LiMa-Wohnhof - ein IBA-Projekt mit Zukunftscharakter
Führung mit Gabriella Sarges von der LiMa Wohnhof Nachbarschaftsinitiative
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Herman Hertzberger (* 1932) lehrte von 1982-93 an der Universität von Genf Architektur, wurde 1983 Ehrenmitglied des Bundes Deutscher Architekten, war 1990-95 Dekan am Amsterdamer Berlage-Institut. Diese staatenübergreifende Tätigkeit und Anerkennung zeigt bereits seine Bedeutung innerhalb der Architektenszene, die ihn denn auch für die IBA 1987 interessant machte. Die 60er und 70er Jahre waren die Blütezeit der Partizipation, nicht nur als Anspruch im politischen Raum formuliert, sondern tatsächlich in der Architektur z.B. eben von Hertzberger umgesetzt.
Ausgelöst hatte diese Partizipationsbewegung Nicolaas John Habraken (1928-2023) mit seinem Buch "Die Träger und die Menschen" von 1961. Was Habraken da noch theoretisch formulierte wurde von Hertzberger, auch hier in Berlin-Kreuzberg, praktisch umgesetzt: Die zukünftigen Bewohner:innen an der Planung zu beteiligen (weiterzulesen: https://de.wikipedia.org/wiki/N._John_Habraken).
Ursprünglich war die IBA geplant als Ausstellung von Neubauten, wobei der damalige westberliner CDU/FDP-Senat nicht nur die durch den 2. Weltkrieg entstandenen Trümmergrundstücke in der Halbstadt nutzen wollte, sondern auch flächenhafte Abrisse der Altbausubstanz, Vernichtung des historischen Stadtgrundrisses und damit eine völlig neue städtebauliche Konzeption plante und z.T. begann. Erst die vehementen Proteste von Stadtplanern und die Besetzungen von Häusern durch die Stadtgesellschaft führten zur Einrichtung der sogenannten Altbau-IBA. Ihr Mentor war Hardt-Walther Hämer (1922-2012), dem wesentlich die "12 Grundsätze der Stadterneuerung" zu verdanken sind und der Nachweis, dass die Altbausanierung die Kosten von Abriss und Neubau unterschreitet (https://de.wikipedia.org/wiki/Hardt-Waltherr_H%C3%A4mer). Eine Erkenntnis, die zusammen mit der Ressourcenschonung heute schon wieder, z.B. durch die AntiAbrissAllianz (AAA) verteidigt werden muss.
Das LiMa-Wohnprojekt, zwischen der Kreuzberger Lindenstrasse und der Markgrafenstrasse gelegen, entstand 1984-86 in Zusammenarbeit von Hertzberger mit den Berliner Kontaktarchitekten Inken und Hinrich Baller und den Mitgliedern der Selbstbaugenossenschaft Berlin eG, die hier die 48 mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus geförderten Wohnungen selbst ausbauten wie auch an der Gestaltung der Höfe teilnahmen und damit die Mietpreise senkten. Der Bau liegt auf der Spitze beider Strassen, schliesst in der Höhe zu den Nachbarbauten an und setzt sich abterassiert in einem Halbrund um einen Grün- und Spielbereich fort. Von den mit Balkonen versehenen 2- bis 5-Zimmer-Wohnungen, wird bis heute eine davon als Kita genutzt. Andere Gemeinschaftseinrichtungen wie die Waschküche oder der Partyraum wurden geschlossen oder umfunktioniert mit dem Auslaufen des Genossenschaftsvertrages.
Das Projekt wurde bis Ende 2010 von der Selbstbaugenossenschaft Berlin eG verwaltet, die dafür einen befristeten Generalmietvertrag erhalten hatte. Die Eigentümerin, die Wohnbau-Nord GmbH & Co, verkaufte das Grundstück 2018 an die landeseigene Wohnungsbau-Gesellschaft Berlin Mitte (WBM). 2016 gründete sich neu die LiMa Wohnhof Nachbarschaftsinitiative mit der Absicht "die gemeinschaftliche und kooperative Idee in der Nachbarschaft wiederzubeleben und auszubauen." Sie hat es zwischenzeitlich auch geschafft, die Denkmalbehörden davon zu überzeugen, dass dieses partizipative Projekt der IBA 1987 von Herman Hertzberger unter Denkmalschutz gestellt gehört. 2020 wurde es tatsächlich in die Berliner Denkmalliste eingetragen.
Gabriella Sarges, aktive Bewohnerin des LiMa-Wohnhofs, umreisst auf der Webseite der Inititiative das aktuelle Anliegen: "Im Jahr 2024 konzentrierten wir uns verstärkt auf Berliner Stadtgeschichte und Stadtplanung. Die Internationale Bauaustellung 1987 (IBA 87) wartete in der südlichen Friedrichstadt mit Demokratieformen auf, die es nicht nur vermochten, die sozialen Bewegungen der 1980er Jahre zu spiegeln und zu integrieren. Die Bau- und Gartengestaltungen, die sie schuf, sind Kulturdenkmäler eines geschichtsbewussten und demokratischen Bauens und Lebens in der europäischen Stadt nach ihrer Zerstörung, die uns bis heute inspirieren."
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Zur Führung mit Gabriella Sarges laden wir ein:
Zeit: Samstag, 30. August 2025, 15-17 Uhr
Treffpunkt: Markgrafenstr. 6
Kosten: Für Mitglieder kostenlos, Gäste bitten wir um einen Unkostenbeitrag von 15 €.
Bitte anmelden unter: mail@denk-mal-an-berlin.de oder Tel.: 030/45 08 77 17.
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Foto Fassade von 1986: ©Ulrich Horb
Foto von Herman Hertzberger, 1970: ©Bert Verhoeff / Anefo / Nationaal Archief, Niederlande
Foto Vogelperspektive:©Dylan de Jong 2017
Dylan de Jong 2017Dylan de Jong 2017Dylan de Jong 2017
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