Corinna Tell, damals in der Unteren Demkmalpflege Neukölln tätig, entwickelte 2013 im Rahmen von werkstatt denkmal eine besondere Idee: Einen Koffer voll Geschichte. Während der NS-Zeit gab es in Berlin über 3000 Lager mit ZwangsarbeiterInnen aus vielen Nationen, die zur Arbeit in Industriefirmen gezwungen wurden. Eines dieser Barackenlager stand in Berlin-Rudow, nahe dem Gelände des ehemaligen Eternitwerkes zwischen Köpenicker Straße/August-Fröhlich-Straße und Neudecker Weg.
Auf diesem Gelände entsteht für die Clay-Oberschule ein Neubau, nachdem sie 1990 aufgrund von Asbestfunden in Container umziehen musste.
Als das Bauprojekt bekannt wurde, forderten historisch interessierte BürgerInnen eine Aufarbeitung der Lagergeschichte. Das Landesdenkmalamt ließ ein Gutachten erstellen, aufgrund dessen die noch existierende Wirtschaftsbaracke des sogenannten Lagers III der Arbeitsgemeinschaft Rudow 2013 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Die Arbeitsgemeinschaft Rudow war ein Zusammenschluss diverser Firmen zur Unterhaltung von Zwangsarbeiterlagern. Wegen der Not an Schulgrundstücken gab das Landesdenkmalamt im selben Jahr einem Abrissantrag statt, forderte zuvor aber eine umfassende Dokumentation, eine archäologische Grabung und die Einrichtung eines Gedenkortes.
Da das Interesse der Neuköllner Denkmalpflege und des Museums Neukölln an der Aufarbeitung der Geschichte des Standortes und an der Vermittlung des Themas Zwangsarbeit groß war, nahm Corinna Tell in Kooperation mit Mareen Maaß das Neubauvorhaben zum Anlass, mit einer Klasse der Clay-Schule die Geschichte des Geländes aufzuarbeiten und die Forschungsergebnisse in einem Materialkoffer dauerhaft zur Verfügung zu stellen.
Lernen aus dem Koffer hat den Vorteil, ausgehend von Dingen (Originalen wie Reproduktionen) abstrakte Geschichte besser vermitteln zu können. Mittels verschiedener Gegenstände und historischer Quellen in Kombination mit einem durchdachten pädagogischen Konzept (einzelne Aufgaben, Rollenspiele, Objektinterviews etc.) sowie einer einfach zu handhabenden Anleitung können sich Schülerinnen und Schüler einen Zugang zum Thema Zwangsarbeit erarbeiten. Anfang 2014 testeten die Jugendlichen schließlich im Rahmen einer Projektwoche den Inhalt des Koffers, bestimmten über seinen Inhalt mit und ergänzten ihn.
Der Materialkoffer wurde in dreifacher Ausfertigung hergestellt und kann bei Denk mal an Berlin e.V., im Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit und im Museum Neukölln ausgeliehen werden.
Pressemitteilung vom 2.6.2014