Im Jahr 2013 drohte das in der Schlüterstr. 45 (Charlottenburg) um 1911 erbaute Haus, welches das Hotel Bogotá beherbergte, seine einzigartige historische Geschichte durch einen Umbau zu verlieren. Wir engagierten uns zusammen mit dem Betreiber des Hotels, der diese Geschichte hütete, mit Denkmalschützern, Publizisten, Historikern und vielen Interessierten, das Haus mit seinen historischen Spuren weiterhin öffentlich zugänglich zu halten. Leider vergebens.
Und dies ist die Geschichte des Besonderen Denkmals:
1911
|
Bankier Robert Leibbrand (1867-1940) lässt das großbürgerliche Miethaus mit 2 großen Duplex-Wohnungen im DG errichten. Das größere Duplex bewohnt er bis 1918 selbst
|
1917
|
zieht der bekannte Architekt Leo Nachtlicht (1872-1942) aus dem Haus aus, sein Nachmieter wird der Kunstsammler Oskar Skaller (1874-1944)
|
1918
|
Verkauf des Hauses durch Leibbrand
|
1920
|
versteckt Skaller während des Kapp-Putsches den SPD-Vorsitzenden Otto Wels bei sich.
Auf Skallers berühmten Festen spielt u.a. der Jazzer Benny Goodman
|
1934
|
zieht die berühmte Mode- und Werbefotografin Yva (Else Neuländer, 1900-1942) in das größere Duplex
|
1936-38
|
lernt Helmut Newton (1920-2004) bei Yva das Fotografenhandwerk
|
1938
|
emigrieren Skaller und Newton, Yva muss Atelier schließen und die Wohnung aufgeben
|
1941
|
wird der in Paris lebende Eigentümer Benjamin Hersz Libermann enteignet, das Haus wird an die NS-Reichskulturkammer "verkauft", deren Vertreter Hans Hinkel (1901-1960) sein Büro im 2. OG und einen Filmvorführungsraum im EG einrichtet. Hier werden alle Filmproduktionen angesehen und zensiert. Das Haus wird zur zentralen Adresse für alle kulturpolitisch Tätigen in Deutschland. Hinkel ist verantwortlich für die Herausdrängung der Juden aus allen künstlerischen Positionen
|
1942
|
Deportation und Ermordung von Yva und ihrem Mann Alfred Simon (1889-1842)
|
1945
|
Nutzung des Hauses durch die neu gegründete Kammer der Kulturschaffenden, Einrichtung der Spruchkammer zur Entnazifizierung der Berliner Kunstschaffenden, Verfahren gegen Furtwängler, Gründgens, Rühmann, Grete Weiser u.A.
Erste Ausstellung expressionistischer Kunst
Einzug des von Johnannes R. Becher (1891-1958) gegründeten Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands
Gründung des Aufbau-Verlags
|
1951
|
Kauf des restituierten Gebäudes durch den DGB für Kulturarbeit
|
1964
|
Verkauf und Einzug von 4 Hotels, das Hotel Bogotá übernahm die Räume Yvas. Sein Besitzer, Heinz Rewald, war in den 30ern nach Bogotá geflohen und übernahm im Laufe der Jahre alle übrigen Hoteletagen
|
1976
|
Übernahme des Hotel Bogotá durch Familie Rissmann, intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte des Hauses
|
1995
|
unter Denkmalschutz gestellt
|
2005
|
Kauf des Hauses durch Thomas Bscher
|
2006
|
teilweiser Umbau des EG und der Straßenfassade
|
2013
|
Kündigung des Hotels Bogotá und Auszug
|
2014-15
|
umfangreiche Sanierung, seitdem Nutzung als Büro- und Geschäftshaus
|
Weitere Informationen hier:
Presseeinladung Denk mal an Berlin e.V. vom 26.5.2013
Zusammenfassung des Fachgutachtens von Dietrich Worbs, ehemals Landesdenkmalamt Berlin
Stellungnahme von Prof. Dr. Reinhard Rürup, Historiker und Gründungsdirektor der Stiftung Topographie des Terrors
Antrag der SPD-Fraktion an die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Charlottenburg-Wilmersdorf, am 12.12.2013 dort einstimmig beschlossen.
In der Presse:
Harald Martenstein, Tagesspiegel vom 9.6.2013
Susanne Kippenberger, Tagesspiegel vom 3.6.2013
Weiterlesen:
Ruth Adreas-Friedrich: Schauplatz Berlin. Tagebuchaufzeichnungen 1945 bis 1948, Frankfurt/Main 1986
Marion Beckers / Elisabeth Moortgart Hrg.: - Yva - Photographien 1925-1938, Tübingen 2001
Helmut Newton: Autobiographie, München 2002