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Nachrichten & Rückblicke

Datum: 11.02.2025 18:00 - 21:00 Termin exportieren
Elisabeth Ziemer
/ Kategorien: Rückblick

Der Umbau der St. Hedwigs-Kathedrale

Über den vom Erzbistum Berlin, bzw. vom damals verantwortlichen Erzbischof Rainer Maria Woelki (2011-14 in Berlin) ausgeschriebenen Wettbewerb zur Neugestaltung der St. Hedwigs-Kathedrale ist viel geschrieben und noch mehr dagegen protestiert worden.

Alfred M. Molter hat die Debatte darüber nicht nur verfolgt, sondern mitgestaltet. Umso spannender war das, was er an diesem Abend an Details über den Diskussionsprozeß wie auch über die juristischen Auseinandersetzungen berichten konnte.

Alfed M. Molter ist Kulturwissenschaftler, hat aber auch ein Studium der katholischen Theologie absolviert und kennt sich daher in der liturgischen Debatte gut aus. Die Liturgie der Katholischen Kirche, die im 2. Vatikanischen Konzil von 1963-65 neu ausgerichtet wurde und die oft für den Totalumbau der Kirche herhalten mußte, konnte er als bereits von Schwippert in Zusammenarbeit mit den damaligen Berliner Bischöfen Wilhelm Weskamm, Julius Kardinal Döpfner und Alfred Kardinal Bengsch sowie dem Liturgischen Institut in Trier als berücksichtigt nachweisen. Schwipperts Idee einer Öffnung zwischen Krypta und Oberkirche, der halbkreisrunden Anordnung des Gestühls in der Oberkirche, der Stellung des Altars und seine außergewöhnliche Zusammenarbeit als westdeutscher Architekt mit Ost- und westdeutschen Künstler/innen in der Hauptstadt der DDR beurteilte Prof. Adrian von Buttlar so:

"Neben der Titularheiligen wurde in der Krypta insbesondere der seliggesprochene Domprobst Bernhard Lichtenberg als Märtyrer verehrt, der dem nationalsozialistischen Terror zum Opfer gefallen war. Eindrücklicher ließ sich die fort dauernde Gültigkeit der christlichen Botschaft angesichts der politischen Gräuel unserer mordenen Zeitgeschichte nicht erlebbar machen. Reformtheologisch motiviert war auch die in den Zentralraum vorgezogene Position des Altars, die (die Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils vorwegnehmend) dem Prieser ermöglichte, die Messe "versus populum" zu feiern." (Arch+, Nr. 241, S. 43). "Auch als Zeugnis der deutsch-deutschen Geschichte stellt das Interieur der St.-Hedwigs-Kathedrale also ein bedeutsames Denkmal der Nachkriegsepoche dar, das in seiner Integrität und Bedeutung unbedingt erhalten werden muss, wie der Berliner Landesdenkmalrat kürzlich in einem dringlichen Appell an das Erzbischöfliche Ordinariat forderte." (kunsttexte.de, 2/2014-3)

Aber wie konnte es zur Zerstörung der denkmalgeschützten Ausstattung kommen? Molter legte die Beweise vor: Die Untere Denkmalpflege erarbeitete eine negative Stellungnahme. Diese negative Stellungnahme wurde persönlich vom Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung in Mitte, Ephraim Gothe (SPD), positiv umgeschrieben. Sie wurde so an das Landesdenkmalamt weitergereicht. Das Landesdenkmalamt erarbeitete eine negative Stellungnahme. In solchem Fall von widersprechenden Stellungnahmen wird die Oberste Denkmalschutzbehörde beim Kultursenator eingeschaltet. Diese gab dem Antrag auf Zerstörung der Schwippertschen Innenausstattung nach. Es wurde vermutet, daß der damalige Kultursenator Lederer (Die Linke) sich nicht nachsagen lassen wollte, er habe gegen die Katholische Kirche entschieden.

Woelki schloß den eindeutig auf Abbruch zielenden Wettbewerb ab, dessen Ergebnisse von seinem Nachfolger, Erzbischof Dr. Heiner Koch umgesetzt wurden. Molter konnte auch aus den Akten der juristischen Auseinandersetzungen zitieren, die die Erben der Künstler wegen des ihrer Ansicht nach verletzten Urheberrechts anstrengten. Nur im Zuge dieser Auseinandersetzungen konnte man bei Gericht Einsicht in die vom Erzbistums streng verschlossen gehaltenen Unterlagen, z.B. über ihre Argumente, nehmen. Da aber das Erzbistums eine nahezu völlige Ausräumung der Kirche veranlaßte, sah das Gericht keine Verletzung des Urheberrechts gegeben.

2016, als die Debatte über das Vorhaben des Berliner Bistums schon begonnen hatte, hatte Molter Dr. Sabine Schulte vom Berliner Landesdenkmalamt davon überzeugt, noch über eine - hervorragend fundierte - Studie zur Kathedrale dem Erzbistum unter seinem neuen Bischof Koch vor Augen zu führen, welchen Verlust eine Umsetzung des Wettwebersergebnisses für die Kirche und die Geschichte Berlins bedeuten würde. Sie erschien unter dem Titel: Kreis, Kreuz und Kosmos. Hans Schwipperts Innenraum für die Berliner Hedwigskathedrale. Eine Studie,  die die außerordentlich vielfältigen Bedeutungszusammenhänge aufzeigt, Gestalt sowie Ausstattung beschreibt und die kirchenpolitischen sowie zeitgeschichtlichen Umstände beleuchtet. Sie ist z.B. in allen Bezirksbibliotheken ausleihbar, wie auch einsehbar in der Bibliothek der Hegenbarth Sammlung Berlin, einer Sammlung, die sich 2017 um die Debatte des Umbaus verdient gemacht hat: https://www.herr-hegenbarth-berlin.de/de/die-ausstellung/die-krux-mit-dem-kreuzweg.html.

Molter selbst schrieb zum geplanten Umbau ein Memorandum (siehe unten). Auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz widmete der Kontroverse breiten Raum: https://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2014/5/Hedwigskathedrale.php. Ebenso begleiteten zahllose öffentliche Briefe, Debatten und Zeitungsartikel den Prozess (siehe unten).

Wir wissen, daß alle diese von nationalen und internationalen Fachleuten vorgebrachten Einsprüche nichts an der Haltung des Erzbistums änderten. Die Kirchenausstattung wurde ausgebaut und eingelagert. Interessant zu wissen wäre, ob ihre Lagerung - sie ist ja denkmalgeschützt - den konservatorischen Ansprüchen auf Erhaltung entspricht. Die Sanierungskosten liegen momentan bei 44,2 Mio €. Eigentlich sollten andere Diözesen 20 Mio € beisteuern, es blieb jedoch bei 10 Mio €, d.h. das Berliner Erzbistums muß diese Summe nun selbst aufbringen. Der Bund steuerte 12 Mio € bei. Lederer gab 8 Mio € zu der ebenfalls geplanten Sanierung/Neubau und unterirdischen Verbindung des benachbarten Bernhard-Lichtenberg-Hauses mit der Kathedrale dazu. Diese stockt aber, offenbar weil - Überraschung - die sumpfigen Gegebenheiten des Untergrundes Schwierigkeiten machen. Übrigens ist gerade die Krypta gesperrt, weil es Schäden an der neuen Decke gibt!

Molters Vortrag und detaillierter Nachweis des Ablaufs der Geschehnisse ernüchterte seine Zuhörer/innen in Hinblick auf den Willen der Katholischen Kirche zur Auseinandersetzung mit der Zivilgesellschaft. Der Abend endete mit der Erkenntnis, daß die Katholische Kirche durch den nur kurz in Berlin weilenden Bischof Woelki - inzwischen ist sein Rücktrittsangebot in Köln wegen Nichtreaktion des Papstes hinfällig geworden - ein Maximum an Schaden angerichtet hat, der leider durch seinen Nachfolger trotz aller fachlichen und politischen und kulturgeschichtlichen Gegenargumente nicht korrigiert wurde. Diese Ignoranz - so der Eindruck des Abends - kann der Kirche nur schaden.

                                                                           


Fotos des Schwippertschen Zustandes: Alfred M. Molter

Foto der Krypta: Thomas Knoll

Fotos des Neuzustandes: Elisabeth Ziemer

 

 

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