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Nachrichten & Rückblicke

Datum: 14.02.2025 17:00 - 18:00 Termin exportieren
Führung durch die St. Hedwigs-Kathedrale
Elisabeth Ziemer
/ Kategorien: Rückblick

Führung durch die St. Hedwigs-Kathedrale

Kurz gesagt: die Führung war enttäuschend. Ob es an der Akustik oder Dr. Wesners zu leiser Stimme lag - die von ihr in einer Nische der Oberkirche versammelte Gruppe hatte Mühe, sie zu verstehen. Darüberhinaus wurde die Erwartung, einen knappen, konzisen Überblick über das Baugeschehen seit dem 18. Jahrhundert zu bekommen, nicht erfüllt.
Kurz wurde auf das Pantheon als Vorbild, den Umbau im 19. Jahrhundert hingewiesen, über die jahrzehntelange letzte Fassung des Denkmals durch Schwippert hinweggegangen und Details ausgewalzt wie die Entstehung der Kuppel nach 1945. St. Hedwig als Namensgeberein wurde nicht erklärt (Friedrich II. hatte mit Schlesien eine Bergbauregion erobert, deren Schutzheilige Hedwig war.) Die Frage nach der jahrelangen Auseinandersetzung über den Wettbewerb und sein heute sichtbares Ergebnis wurde abgetan mit dem Hinweis, alle Fassungen des Innenraums wären in ihrer Zeit auf Debatten gestossen. Das Fuldaer Architekturbüro Sichau & Walter, dessen Konzept realisiert wurde, wurde nicht weiter gewürdigt, der Wiener Künstler Leo Zogmayer, der die gesamte Möblierung entwarf nur allgemein genannt. Überhaupt gab es nur einzelne Hinweise wie auf die Fenster (die Luftblasen stellen die Stellung der Sterne über Berlin während der Geburt Jesu dar), das Tabernakel (wiederverwendet), die Marienskulptur ("aus Italien" - falsch: Oberschwaben), die Orgel (die alte überholt und ohne Prospekt) ohne, dass gemeinsam ein Rundgang mit genauerer Besichtigung versucht worden wäre. Dasselbe in der Krypta.

Entprechend fielen die Kommentare aus:

"Ich musste diesen Nachnittag erstmal verdauen. Die Führung - diese Sicht von Dr.Wesner war ja vorauszusehen, ich habe nichts anderes erwartet- war für uns sehr informativ. Wer den Raum nicht von früher kannte ist sicher beeindruckt, wenn auch sehr weiss, kalt, nicht einladend im Gegensatz zur Unterkirche. Ich kann mich dort nicht wohlfülen. ...Tragisch dass all die entfernten Dinge wahrscheinlich niemals mehr irgendwo zum Einsatz kommen. ( Fenster, Gitter usw). Ich bin gespannt wie hoch die Gesamtkosten am Ende sein werden...Der Denkmalschutz ist diesen Leuten doch, salopp gesagt, völlig schnuppe."

"Das Alte, anheimelnde und stimmige, wurde gänzlich ausgelöscht. Ich bin total entsetzt, enttäuscht von diesem sehr "kalt" wirkenden Kuppelraum, auch wenn das Beleuchtungskonzept noch unfertig ist, ändert dieses nicht. Die neue Krypta, kaum zu glauben, warum es jetzt so ist, wie wir sie gesehen haben. Der Raum gleicht einem Kolumbarium oder ähnlichem. Eine Geldverschwendung der höchsten Potenz, ohne Gewinn für die Gemeinde. Zerstörungen der Innenräume ohne Sinn und Verstand."

"Als Katholikin war ich strikt gegen den Umbau in dieser Form, alleine schon der immensen Geldausgabe wegen. Die Begründungen für die Umgestaltung fand und finde ich an den Haaren herbeigezogen, wie unflexibel zeigen sich die Verantwortlichen dieses Bistums. Der katholischen Kirche in dieser Stadt bringt dieser radikale Umbau sicher keinerlei Anerkennung. Die Kirche wirkt kalt, leer, vielleicht ‚stylish‘? Die Fenster geben leider keinerlei Impuls. Die Idee dahinter finde ich zu verkopft, die Fenster schirmen ab, ohne den Blick auf sie zu lenken. Für mich wirkt alles unfertig. Dazu ergänze ich: ich habe nichts gegen ‚moderne Kirchen‘. St. Canisius schätze ich sehr. Das lebt von der Öffnung zur Stadt, in aller Schlichtheit. Hier ist sehr viel falsch gelaufen."

"Für mich ist es eine neue, durchaus attraktive schlichte Kirche in alter Hülle. Meine Hauptkritik betrifft die Gestaltung der Kuppeldecke. Die finde ich sehr unruhig und aufdringlich. Sie stört meiner Meinung nach die ruhige Zurückhaltung des übrigen Kirchenraums. Die untere Ebene hat an Großzügigkeit und vor allem Helligkeit verloren. Aber dafür gefällt mir die runde Sitzordnung im oberen Kirchenraum besser als die vorherige Zweiteilung. Eine ganz andere Frage ist, ob dieser sehr teure Umbau überhaupt nötig war und den Zuschuss von 20 Mio Euro öffentlicher Gelder rechtfertigt." [12 Mio € vom Bund für die Kirche, 8 Mio € vom Land Berlin für das anschliessende Bernhard-Lichtenberg-Haus.]

taz-Bericht vom 29.11.2024 von Nikolaus Bernau: https://taz.de/St-Hedwigs-Kathedrale-in-Berlin/!6048242/

"Ich will mich nicht den Neuerungen verschließen, aber dieser sterile OP - Raum ist auch für mich als Katholikin  schwer zugänglich. Im oben erwähnten taz-Bericht ( lesenswert! ) heißt es sehr treffend: Calvin hätte seine reine Freude gehabt. Ich habe mir vorgenommen die Kirche im Gottesdienst zu erleben, um mir eine Meinung über die unbedingte Anpassung an die Liturgie machen zu können."

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Folgeveranstaltung

Da es mehr Interessenten an der Führung als Plätze gab, hatten wir ursprünglich eine Folgeveranstaltung machen wollen. Aufgrund der Kritik an der einseitigen Darstellung haben wir sie abgesagt und überlegt, ob wir sie nicht besser selbst machen sollten. Inzwischen verbietet das Erzbistum auf der Webseite der St. Hedwigskathedrale aber eigene Führungen: "Es ist nicht gestattet eigene Führungen innerhalb der Kathedrale durchzuführen." Ist das Angst vor Aufklärung und Kritik? Inzwischen ist aber auch schon wieder die Krypta geschlossen, da am Deckenputz ein Schaden aufgetreten ist. Wir warten also ab.

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Zur Geschichte des Gebäudes nach dem II. Weltkrieg

Die katholische Kirche, die Friedrich II. von seinem Hofarchitekten Geog Wenzeslaus von Knobelsdorff auf dem nach dem König benannten Forum Fridericianum hatte planen lassen, wurde im Laufe ihres Bestehens mehrfach zerstört, wieder aufgebaut und dem Geschmack der Zeit angepasst. Den grössten Verlust an Originalsubstanz brachte der 2. Weltkrieg mit sich, der nur noch die Aussenmauern der Kathedrale stehen liess. Nachdem das Gebäude gesichert war, beauftragte das Bistum den westdeutschen Architekten Hans Schwippert (1899-1873) mit dem Wiederaufbau des Innenraumes, der 1955-63 eine hochinteressante Lösung zusammen mit ost- und westdeutschen Künstlerinnen und Künstlern realisierte. Darunter waren der international bekannte Kunstschmied Fritz Kühn (1910-1967), der ebenso renommierte Josef Hegenbarth (1884-1962), der als sein letztes öffentliches Werk 14 schwarz-weiße Pinselzeichnungen mit den Kreuzwegstationen Christi beisteuerte (beide aus der DDR), die Münchner Künstlerin Else Bechteler-Moses (1933-2023) oder die ehemalige Bauhausschülerin Margaretha Reichardt (1907-1984) aus Erfurt und andere. Diese ost-west-übergreifende Zusammenarbeit muss programmatisch gelesen werden, wie das im unten verlinkten Offenen Brief von 77 Unterzeichner/innen an den Erzbischof Dr. Koch auch benannt wurde: "Die denkmalgeschützte Nachkriegsfassung des Innenraums der Hedwigs-Kathedrale ist ohne jeden Zweifel ein einzigartiges Zeugnis deutsch-deutscher Geschichte in der Epoche der Spaltung und des Kalten Krieges – letztlich sogar ein Denkmal für die wesentlich auch dem Wirken der beiden Kirchen zu verdankende Hoffnung auf Wiedervereinigung." Das eindringliche Plädoyer für den Erhalt brachte kein Umdenken.

Das einzigartige Zeugnis deutsch-deutscher Geschichte wurde durch den vom Erzbistum beschlossenen Umbau zerstört. Er kostete inzwischen rund 44,2 Mio €, davon trägt der Bund 12 Mio €. Das Land Berlin steuert 8 Mio € zum Umbau des anschliessenden Bernhard-Lichtenberg-Hauses bei.

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Fotos: Zustand des Schwippertschen Umbaus von 1955-63 von Alfred M. Molter

Fotos: Zustand nach Eröffnung 2025 von Elisabeth Ziemer

 

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