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Nachrichten & Rückblicke

Datum: 11.03.2025 19:00 - 21:00 Termin exportieren
Elisabeth Ziemer
/ Kategorien: Rückblick

Berliner Archäologie

Der Abend mit Claudia M. Melisch bei uns in der Geschäftsstelle war fulminant. Die Interessierten strömten nur so herein, die Stühle reichten bei Weitem nicht, zusätzliche Hocker wurden verteilt.

Graf Schwerin stellte charmant die Chefarchäologin vor, die wohl inzwischen als beste Kennerin der einen Keimzelle von Berlin, dem mittelalterlichen Cölln, gelten kann. Nachdem 1964/65 die DDR die letzte, neogotische Version der St. Petri-Kirche von 1846 gesprengt hatte, lag auf dem als Parkplatz genutzten Gelände zwischen Mühlendamm und Scharrenstraße, Breiten Straße und Kleiner Gertraudenstraße nur noch eine Asphaltdecke.

Während der beiden Grabungskampagnen von 2007-09 und 2015 hatten Melisch und ihr Team hier nicht nur die Fundamente der neogotischen Kirche entdeckt, sondern auch die ihrer Vorgänger und einer Lateinschule sowie einen Teil des bis 1717 genutzten Friedhofs, der sich um den Bauplatz der St. Petri-Kirche herumzog.

Dabei gruben sich die Archäologinnen und Archäologen bis zur untersten Schicht der Cöllner Gründung vor und entdeckten, daß die ersten Siedlungsschichten vor die erste urkundliche Erwähnung Berlins von 1237 reichten, nämlich bis ca. 1150.

Daß Frau Melisch für Ihr Thema brennt, zeigte sie in ihrer engagierten Präsentation, daß sie sich aber auch nicht den ethischen Fragen entzieht, die mit der Ausgrabung von Skeletten verbunden sind, hatte sie schon mit ihrer Idee einer Prozession für 100 Tote im Juni 2024 belegt. Insgesamt waren bei den Grabungen in 3126 Gräbern die Gebeine von 3872 Personen identifiziert worden. Frau Melisch kam nun auf die außergewöhnliche Idee, exemplarisch für diese Toten, 100 von ihnen eine "Biographie" zu geben und sie in blumengeschmückten Kästen von ihrem ersten Aufbewahrungsort der Parochialkirche in das neue Archäologische Haus Petri am Petriplatz in Berlin-Mitte zu überführen. Ermöglicht wurden diese "Biographien" durch die Auswertung der Funde, von denen die ältesten durch ein internationales Netzwerk von Wissenschaftler/innen untersucht wurden, um Herkunft und verwandtschaftliche Beziehungen sowie Krankheiten zu erforschen. Dabei kamen neue naturwissenschaftliche Methoden zur Anwendung, die Frau Melisch an diesem Abend auch erläuterte. Die genetischen Analysen etwa ergeben Erkenntnisse zur biologischen Verwandtschaft über Generationen hinweg, die Isotopen-Untersuchungen steuern Hinweise auf die Ernährung und die geografische Herkunft der Nahrung bei, die Radiokarbondatierungen können generell etwas über das Alter der Funde aussagen. Fragen nach der ungefähren Alterserkennung von Skeletten und warum einige sich schwärzlich verfärbt hatten, die Zähne aber weiß geblieben waren, beantwortete sie in der angeregten Diskussion: die Verfärbungen kamen dadurch zustande, daß nur die Skelette Stoffe aus dem Erdreich aufgenommen hätten. Die Zähne hätten keinerlei Karies aufgewiesen, dafür aber Abnützungsspuren, die auf den Abrieb der Mühlsteine im Brot hinwiesen.

Zur Idee, exemplarisch für die ausgegrabenen Toten eine würdige Übergabe von 100 Gebeinkästen an das Archäologische Haus zu organisieren, sagte Melisch: "Wir handeln bei der Prozession im Gedenken an alle am Petriplatz geborgenen Toten und aus Respekt für die Lebensleistung aller Berliner, die die Stadt seit dem Mittelalter erbaut, verschönert und trotz aller Wechselfälle immer wieder hoffnungsvoll aufgerichtet haben.“

Doch ist diese Auswertung noch längst nicht beendet. Die Befunde fliessen in eine Gesamtbetrachtung ein, denn seit dem Jahr 2022 haben sich Forscherinnen und Forscher aus Archäologie, Geschichtswissenschaft und Genetik zusammengetan, um die große Transformation der Region Berlin-Brandenburg im Hochmittelalter - sprich Migration und Demographie - besser zu verstehen. Beteiligt sind u.a. das Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig, die Universität zu Köln, die Charité - Universitätsmedizin Berlin und die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Daraus ist auch das Buch "Die ersten Berliner" von Claudia Maria Melisch in Zusammenarbeit mit den Historikern Ines Garlich und Jörg Feuchter entstanden, das bereits in 2. Auflage erschienen ist.

Der interessante, aufschlußreiche Abend endete mit vielen Fragen und Antworten bei Wasser und Wein in angeregten Gesprächen. Wir bedanken uns sehr für diesen schönen Abend!

 

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Einen Eintritt wollten wir an diesem Abend nicht verlangen, möchten aber Frau Melisch helfen, die Radiokarbondatierung eines Skeletts zu finanzieren. Dazu sammelten sich einge Euro auf unserem Konto und am Abend selbst Einiges im roten Sparschwein an. So richtig langt das aber noch nicht, daher sammeln wir weiter! Unter dem Stichwort "Datierung" kann ein Beitrag zur wissenschaftlichen Erforschung auf unser Konto bei der DKB eingezeahlt werden,

IBAN DE 85 1203 0000 0010 4347 36. Wir stellen auch gern Spendenquittungen aus! Vielen Dank!

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Weiterführende Literatur:


Claudia Maria Melisch/Jörg Feuchter/Ines Garlisch - Die ersten Berliner. Leben an der Spree zwischen 1150 und 1300, Berlin 2023

Claudia Maria Melisch - Petriplatz in Berlin-Mitte. Archäologisch-historische Studien, Berlin 2021

Claudia Maria Melisch/Matthias Wemhoff - Archäologie Berlins, 50 Objekte erzählen 10000 Jahre Geschichte, Berlin 2015

Claudia Maria Melisch/Felix Escher/Bettina Jungclaus - Der erste katholische Friedhof Berlins. Archäologie, Anthropologie, Geschichte, Berlin, Petersberg 2011

 

 

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