Tagesexkursion: Bezirke entdecken - Baudenkmale in Spandau
Unter dem Motto „Bezirke entdecken“ führte uns am Freitag, den 12. Mai 2023 eine Rundfahrt nach Spandau. Unser langjähriges Mitglied und Denkmalpfleger der Unteren Denkmalschutzbehörde in Spandau, Dr. Dieter Nellessen, zeigte uns herausragende und weniger bekannte Denkmale des Berliner Bezirks.
Unsere erste Station führte uns zur Bundeslehr- und Forschungsstätte des DLRG an den Pichelssee. 1967-1971 wurde der außergewöhnliche Bau nach den Entwürfen des Berliner Architekten Ludwig Leo für das Training und die Ausbildung von Einsatz-, Berufs- und Sporttauchern errichtet. 1974 kam noch der sogenannte Tauchturm dazu, der als ein Kernstück der Anlage bis heute in Betrieb ist. Herr Weber, Techniker und die gute Seele vor Ort, führte uns durch die gesamte Anlage und berichtete, dass bis Ende der 1980er Jahre die Rettungsboote des DLRG in den 8 Decks des Turmes für den Winter eingelagert wurden. Aber bereits in den 1990er Jahren verloren die Decks diese Funktion, die Deckklappen wurden durch Fenster ersetzt und die Räume als Seminarräume und Aufenthaltsräume genutzt. Denkmalpflegerisch ist der Turmbau als Stahlbetonbau stets eine Herausforderung, zur Zeit steht die Restaurierung der Fassade an.
Eine sehr gut gelungene Fassadensanierung konnte uns Dr. Nellessen dann in der Wohnanlage Zeppelinstraße, 1926-1927 von Richard Ermisch entworfen, zeigen. Ein Block der Wohnanlage konnte nach neuesten Farbuntersuchungen nach Befund in den für die 1920er Jahre typischen Farbschemata wiederhergestellt werden. Auch der Putz ist nach Befund erneuert worden und nun erstrahlen die hellen Fassaden, abgesetzt in pastelligem Blau und Lindgrün, wieder in ihrem „alten Glanz“. Durch die Unterschutzstellung der Wohnanlage konnte bei der Sanierung auch die unsägliche Fassadendämmung verhindert werden.
Auf der Insel Eiswerder warteten bereits Anika Wolff und Stefan Heerde von LIGNEE Architekten auf uns, um uns fachkundig durch die von ihnen sanierten und restaurierten Gebäude der ehemaligen Feuerwerkslaboratorien zu führen. In den Königlichen Feuerwerkslaboratorien erforschte, erprobte und produzierte das Militär ab 1870 Brand-, Granat- und Signalraketen. Im 1. Weltkrieg wurden auf Eiswerder alle Arten von Rüstungsgütern hergestellt. In enger Zusammenarbeit mit Dieter Nellessen werden seit Jahren die wunderschönen Backsteinfabriken erhalten, saniert und einer neuen Nutzung zugeführt. Das Architekturbüro und die neuen Mieter haben dabei Kenntnisreichtum und Einfühlungsvermögen bewiesen, so dass trotz des Einbaus neuer, z.T. rekonstruierter Fenster die ursprüngliche Atmosphäre dieser Bauten erhalten blieb. Inzwischen ist Eiswerder mit seinen denkmalgeschützten Bauten ein attraktiver Standort für Kunst, Handwerk und Medien. In einer der ehemaligen Fabrikhallen hieß uns dann zur Mittagszeit Thomas Kuwka von smartspaces in den hellen und modernen Räumen des Coworking Spaces mit einem Catering von Stulle mit Brot (Savignyplatz) Willkommen.
Nach der Erfrischung machten wir uns auf den Weg zu den Produktionshallen der Geschützgießerei in Spandau-Stresow am Zusammenfluss von Havel und Spree. Die Hallen wurden zwischen 1855 und 1914 errichtet. Die Pläne der kleinen Bohrwerkstatt (1871-1874) stammen von dem Architekten Wevel. Die historischen Hallen der preußischen Geschützgießerei sollen nun durch die Kölner Bauwens Group wieder belebt werden – mit Büros, Gastronomie und Kultur. Über das Gelände mit den ruinösen Hallen führte uns Christoph Grossmann, der leitende Architekt von gse KONTOR, und erläuterte uns die Herausforderungen, die Möglichkeiten und die Zukunftsvisionen des ambitionierten Projekts.
Die Christophoruskirche, 1928 von Hans Hertlein, dem Hausarchitekten der Firma Siemens, errichtet, bildete den Abschluss unserer Rundfahrt. Der außergewöhnliche Bau an der nordwestlichen Peripherie der geplanten Siedlung Heimat am Schuckertdamm ist als schlichter Backsteinbau mit hohem Turmbau errichtet. Durchschreitet man die Turmfront öffnet sich ein großer runder Zentralraum von 21 m Durchmesser mit Holzdecke und ausladenden Emporen. Dr. Dieter Nellessen wies uns besonders auf das zarte Deckenfresko der Apsis hin, das sich aus zwei übereinander liegenden Fresken bildet. Auch erzählte er die Geschichte eines ungewöhnlichen Kirchenbuchs, in das geflüchtete oder vertriebene Gemeindemitglieder ihre verstorbenen Familienmitglieder, die auf den Friedhöfen der Heimat zurückgelassen werden mussten, eintrugen, um an deren Todestag hier ihrer zu gedenken.
An diesem Tag haben wir einige Facetten Spandaus entdecken können und Dr. Dieter Nellessen führte uns charmant, kenntnisreich und mit kleinen Anekdoten durch das abwechslungsreiche Programm.