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Nachrichten & Rückblicke

Datum: 19.10.2023 Termin exportieren
Denk mal an Berlin
/ Kategorien: Rückblick

Staatsoper Unter Linden - Buchvorstellung

Am Donnerstagabend, dem 10. Oktober, füllte sich unsere Geschäftsstelle bis auf den letzten Stuhl und Hocker mit Interessierten an der Sanierung der Staatsoper Unter den Linden.

Wir hatten den Anton H. Konrad Verlag eingeladen, seine 2022 erschienene Publikation über die Sanierungsarbeiten mitzubringen und die beiden Kontaktarchitekten Volker Hübner und Christiane Oehmig gebeten, sie vorzustellen. Um es vorweg zu nehmen: Es war ein unglaublich informativer und spannender Abend.

Das lag nicht nur an Volker Hübner, der in seiner Power-point-Präsentation wunderbare Fotos von Räumen und Details mitbrachte und erläuterte, sondern auch an den von verschiedenen Beteiligten aus dem Publikum beigesteuerten Debattenbeiträge. So bereicherten Christiane Oehmig mit ihren Archivrecherchen und Norbert Heuler aus dem vom Landesdenkmalamt begleiteten Prozeß die lebhafte Diskussion. Gelobt wurde explizit die sehr gute Zusammenarbeit von Amt und Büro Merz sowie die dazwischen vermittelnde Arbeit der Kontaktarchitekten Hübner/Oehmig.

Einige waren sich im Anschluß bei Crément und Häppchen alle, daß die Sanerung sich gelohnt hat und bei Besuchen in der Staatsoper die Räume nun ganz anders wahrgenommen werden.

 

Der Bau:

Die Staatsoper, als Teil des Forum Fridericianum von Friedrich II. als 28-jähriger (!) 1740 bei Knobelsdorff in Auftrag gegeben, hat eine so wechselvolle Geschichte mit vielen Zerstörungen durchlitten, daß die Bestandsaufnahme der Kontaktarchitekten Hübner/Oehmig sowohl vor Ort wie auch in Archiven auf viele Bau- und Zeitschichten bezogen geleistet werden mußte.

Der Bau ist ein typologischer Pionierbau, da es ein erstes freistehendes und vom Schloß unabhängiges Opernhaus ist, die Fassade nach englisch-palladianischen Vorbildern gestaltet. Schlichter Portikus, strenge Gliederung, langer gleichmäßiger Baukörper. 12 Sandsteinreliefs mit Metamorphosen nach Ovid von Joh. August Nahl und großes Relief von Benjamin Giese von 1743 bis heute erhalten.

Im Innern im Stil des Rokoko ausgebildet. Apollosaal mit Karyatiden. Elliptischer Zuschauerraum mit 3 Rängen aus Logen gebildet.

 

Geschichte:

7.12.1742, 10 Monate vor Fertigstellung mit Grauns "Cleopatra e Cesare" eröffnet.

1787/88 Carl Gotthard Langhans (1732-1808) verbessert die Sicht zwischen Logen und Bühne.

18.8.1843 Brand, innen fast völlig zerstört, keine originalen Skulpturen mehr erhalten.

1843-44 Sanierung durch Carl Ferdinand Langhans junior, zog Seitenrisalite leicht vor die Fassade. Ansonsten Beibehaltung der Knobeldorffschen Figur. Ließ 18 neue Statuen aufstellen, von denen in den 1950ern noch 10 erhalten waren. Im Portikusgiebel neu ein Zinkgußrelief von Ernst Rietschel von 1844. Langhans baute Zuschauerraum im Stil des Spätklassizismus aus, baute 4. Rang ein. Auf Anweisung von Friedrich Wilhelm IV. beließ er den Apollosaal in seiner Abmessung und Gliederung durch 22 Karyatiden.

1926-28 Umbau durch Eduard Fürstenau, Neubau eines breiteren Bühnenhauses, Aufsetzung des Bühnenturms, Zerstörung Knobelsdorffer Figur

1941 Zerstört durch Luftangriff, auf Befehl Hitlers durch Erich Meffert wieder aufgebaut, tiefgreifende Veränderungen im Apollosaal, Verkleinerung durch Monumentaltreppe vom Foyer zur Westseite

3.2.1945 zu 50 % außen zerstört durch Luftangriff, Apollosaal nahezu unzerstört

1951-55 Wiederaufbau/Gesamtkunstwerk durch Richard Paulick, der beauftragt wurde, die Knobelsdorffsche Tradition weitgehend zu berücksichtigen, aber Zuschauersaal nach Langhans zu sanieren. Dirigent Erich Kleiber hatte gefordert, daß der Vorkriegszustand wiederhergestellt würde, dann würde er als Dirigent an der Oper bleiben.

Paulick hat den Zuschauersaal mehr Knobelsdorff nachempfunden. Er sparte den 4. Rang wieder ein, vergrößerte den Apollosaal wie er original war, aber ohne Karyiatiden, aber mit Doppelsäulen à la Sanssouci. Von dort viele Details übernommen, so den Fußboden im Apollosaal und die Decke. Sonstige Details auch aus Schlössern in Rheinsberg und Charlottenburg entnommen. Neue Eingangshalle, ergänzte Gardeoben. Es wurden große Werkstätten beschäftigt, aufwendige handwerkliche Arbeiten durchgeführt.

Außen hob Paulick die ursprüngliche Gestalt von Knobelsdorff hervor, z.B. durch Reduzierung des Bühnenturms von 1928. Die Statuen ließ er um die fehlenden 8 ergänzen, aber umstellen.

1979 unter Denkmalschutz gestellt.

 

Jörg Haspel, eh. Landesdenkmalpfleger sagte zu Paulicks Arbeit: Entstanden sei ein "Gesamtkunstwerk, dessen Innenausstattung als einzigartiges Zeugnis der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg" zu verstehen sei und das in "seinen zentralen Bestandteilen nicht beeinträchtigt werden kann, ohne auch Schaden für die einzigartige architektonische und künstlerische Qualität des Ganzen anzurichten."

Im März 2009 wurde nach mehreren verworfenen Versuchen das Architekturbüro HG Merz mit Sanierungsvorschlägen beauftragt. Nach der umfassenden Bestandsaufnahme von Hübner/Oehmig führte HG Merz in enger Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt die Sanierungsarbeiten durch und es gelang dabei auch, die Forderung Barenboims nach einem größeren Nachhall durch Anhebung der Decke des Zuschauerraums durch eine speziell entwickelte Nachhallgalerie zu erfüllen.

Der vom Abgeordnetenhaus wegen der Explosion der Baukosten auf 400 Mio € eingesetzte Untersuchungsausschuß, der 2016 seinen Bericht vorlegte, stellte fest, daß einerseits der unsichere Baugrund, die kriegsbedingten Schäden, die wechselnden Nutzeranforderungen, schwammige Zuständigkeiten und eine fehlende Durchplanung dafür verantwortlich waren. Ein Fazit lautete: Erst planen, dann bauen!

 

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