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ⓒ Thomas Knoll

Der Schöneberger Gasometer - Rendite versus Denkmalschutz

Am 17. Februar 2021 erklärten wir einen der letzten großen europäischen Teleskop-Gasometer zum Besonderen Denkmal (PM hier). Im Unterschied zu kleineren Gasometern mit einer festen äußeren Ummantelung, wie dem Dresdner oder den Wiener Exemplaren, ist bei diesem Modell das Führungsgerüst frei sichtbar. Damit ähnelt der Schöneberger Gasometer dem späteren, etwas größeren römischen Gazometro, der 1935-37 u.a. von einer Dortmunder Firma errichtet wurde.

Der Schöneberger Gasometer wurde 1908-10 von der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau (BAMAG) erbaut und ging 1913 in Betrieb. Die Gaserzeugung durch Verkokung fand vor Ort statt und füllte die ausfahrbaren Behälter, die sich bei entsprechender Füllung nach oben schoben und mit dem Verbrauch durch Industrie, Straßenbeleuchtung und Haushalte wieder absenkten.

Diese Dynamik des technischen Prozesses faszinierte Künstler wie Lyonel Feininger, Hans Baluschek, Leopold Thieme oder Ludwig Meidner. Mit wenigen, hingeworfenen Strichen skizzierten sie das beeindruckende filigrane Gerüst, das gleichzeitig durch seine Größe und Höhe das umliegende Häusermeer dominierte. Mehr oder weniger gefüllt, war es Symbol der vibrierenden Industrie, der Nervosität einer nie stillstehenden Stadt.

Mit der endgültigen Umstellung von Stadt- auf Erdgas verlor dieser große, zuletzt noch kaum genutzte Gasometer seine Funktion. 1994 wurde er unter Denkmalschutz gestellt, 1995 stillgelegt. Der Eigentümer, die mehrheitlich landeseigene GASAG, wurde 1998  privatisiert und verkaufte 2007 das Gelände an die Firma Denkmal plus des Architekten Reinhard Müller. Eine 10.500 qm große Freifläche sollte an den Bezirk gehen, der hier einen Park für die mit Grün unterversorgte Nachbarschaft bauen wollte. Daraus wurden schließlich nur 7000 qm, denn Müller sicherte sich den Rest und konnte dadurch mehr Baumasse auf dem Gelände unterbringen.

Von diesem Standpunkt aus überragen schon heute nur noch die zwei obersten Ringe das davorstehende Bürogebäude.

Die anfänglich propagierte Idee einer "Energieuniversität" entpuppte sich bald als unrealistisch und wurde nicht mehr im 2021 erneut und verändert ausgelegten Bebauungsplan erwähnt. Der Standort ist inzwischen mit Bürogebäuden nahezu vollständig überbaut. Nun soll auch noch der Gasometer, Wahrzeichen und weithin sichtbares Denkmal der Industriekultur Berlins mit Büros gefüllt werden.

Der Berliner Landesdenkmalrat hatte 2008 einen Ausbau des Gasometers mit Büros als banal und unangemessen bezeichnet und eine Nutzung höchstens im untersten Ring für möglich erachtet. Auf politischen Druck hin stellte das Landesdenkmalamt seine schwerwiegenden Bedenken zurück und erlaubte einen Ausbau bis zu einer Höhe von 57 m. Damit wären die obersten zwei Geschosse des Gerüstes sichtbar gelassen worden. Das alles reicht Müller jedoch nicht. Er will den vollen Ausbau des Gerüstes bis in das oberste Geschoss hinein.

Dagegen erheben sich seit Jahren Proteste. Inzwischen hat eine Bürgerinitiative an die 11 000 Unterschriften (Stand März 2021) gegen den Ausbau gesammelt. Auch beim Abstimmungsbarometer des Berliner Tagesspiegels, an dem sich über 3300 Menschen beteiligten, votierte die Mehrheit gegen das Projekt.  Dem Stadtplanungsamt wurden Hunderte von Einwendungen gegen den Ausbau bei der Auslegung des Bebauungsplanes 7-29 mitgeteilt. Auch das Landesdenkmalamt lehnt den jetzt erhöhten Ausbau ab, ebenso wie die Berliner Naturschutzverbände. Inzwischen hat auch der Verband Deutscher Kunsthistoriker e.V. den Gasometer als gefährdetes Denkmal auf die Rote Liste gesetzt. 

Die internationalen Denkmalschutzorganisationen ICOMOS und TICCIH, die u.a. die UNESCO zum Weltkulturerbe beraten, schickten am 27. Mai 2021ein Schreiben an die Bezirksverordnetenversammlung von Tempelhof-Schöneberg mit der Bitte, sich über den überragenden Denkmalwert des gasometers im Klaren zu sein und dieses europäisch wichtige Industriedenkmal für die Nachwelt sichtbar zu erhalten. Stellungnahme Das interessierte die Bezirksverordneten leider wenig. Am 23. Juni 2021 beschlossen alle Fraktionen - außer Die Linke und der Bezirksverordnete der Grünen Wolfgang Höckh - dem Vorhaben die Planreife zu erteilen. Es wurde damit nicht, wie allgemein erwartet, der Bebaunngsplan beschlossen, sondern ein sehr gern in Berlin angewandtes Verwaltungsintrument ohne gesetzlichen Charakter genutzt. Gegen die Planreife ist keine rechtliche Klage möglich, da es ein verwaltungsinternes Instrument ist.

Am 23. Juni wurde daher nicht nur die Planreife in nicht-öffentlicher Sitzung beschlossen (wenige Bürger*innen durften per Video in einem anderen Saal der Debatte folgen), sondern einem Baugenehmigunsverfahren die Tür geöffnet, gegen das erstmal keine Einsprache erfolgen kann. Erst wenn die Baugenehmigung vorliegt, kann gegen sie Klage innerhalb eines Monats eingereicht werden.

In der Presse

Die Bahn zieht in den Gasometer - Der Tagesspiegel vom 23.11.2020
Konflikt um Denkmal-Bebauung: Im Schatten des Gasometers - TAZ vom 27.1.2021
Was passiert mit dem Gasometer in Schöneberg? - rbb Kultur vom 29.01.2021 
Der Gasometer in Schöneberg - Berliner Morgenpost vom 16.02.2021
Mal kurz drüber geredet - taz vom 18.02.2021
PR-Vorwurf an Grüne - taz vom 20.02.2021
Ein Kiez mit imposantem Industriedenkmal - Berliner Morgenpost vom 21.02.2021
Eine Frage der Höhe - Der Tagesspiegel vom 23.02.2021
Denkmal- und Naturschützer lehnen Ausbaupläne für Gasometer ab - Der Tagesspiegel vom 01.03.2021   
Deutsche Bahn bestätigt Gasometer-Pläne - Berliner Morgenpost vom 05.03.2021
Abstimmung zum Gasometer im Berliner Tagesspiegel vom 06.03.2021
Gasometer in Schöneberg - Berliner Abendblatt vom 18.03.2021
Protest-Brief an neuen Mieter des Schöneberger Gasometers - Berliner Morgenpost vom 20.03.2021
Die Krone von Schöneberg, eine Reportage - Berliner Zeitung vom 10./11.04.2021
Gasometer in Gefahr - Berliner Zeitung vom 16.04.2021
100 Liebeserklärungen an den Gasometer - Berliner Morgenpost vom 21.04.2021
Gasometer in Gefahr - Berliner Kurier vom 22.04.2021
Schöneberger Gasometer in Gefahr - Der Rabe Ralf vom April/Mai 2021
Herantasten an die Vergangenheit - Süddeutsche Zeitung vom 14.05.21
Müllers Euref - ein fragwürdiges Vorhaben (1) - Der Freitag vom 9.06.21
Müllers Euref - ein fragwürdiges Vorhaben (2) - Der Freitag vom 9.06.21
Gasometer in Berlin darf ausgebaut werden - Der Tagesspiegel vom 24.06.2021
Verlust einer Landmarke - Berliner Zeitung vom 25.06.2021
Berlins Schandmal - Berliner Zeitung vom 25.06.2021
Ende der Transparenz - Der Tagesspiegel vom 25.06.2021
Turm im Gerüst - Der Tagesspiegel vom 25.06.2021
Wenige Zuschauer, umstrittene Beschlüsse - Der Tagesspiegel Newsletter vom 29.06.2021
Der große Bluff? - Der Tagesspiegel vom 24.07.2021
Grundsteinlegung im Gasometer - Der Tagesspiegel Newsletter vom 09.08.2021
Bald sieht keiner mehr durch - Der Tagesspiegel vom 18.08.2021
Campus-Betreiber Euref legt Grundstein - Der Tagesspiegel vom 24.08.2021
Baustadtrat verteidigt Innenausbau - rbb24 vom 24.08.2021
Schöneberger Gasometer wird zum schwarzen Klotz - MieterEcho August 2021

Hier finden Sie den Gasometer Schöneberg

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